Menschen in Aachen sind von zahlreichen verkehrsbedingten Gesundheitsbelastungen betroffen. Die dramatische Zunahme der Feinstaubbelastung und Stickoxide, die Zunahme der Verkehrsunfälle, der peinliche Absturz im Ranking fahrradfreundlicher Städte Deutschlands auf Rang 30 von 39 lässt uns Ärzte unserer Sorge für die gesundheitliche Situation der uns anvertrauten Bürger Ausdruck verleihen.
Die Zahl der Unfälle und Verkehrstoten ist weiter viel zu hoch, in NRW sind knapp die Hälfte davon Fußgänger, Motorrad- und Fahrradfahrer, und ca. 60% gehören zur Altersgruppe von 5-44 Jahren. Dieser unerträgliche Zustand muss sich ändern.
Ziel muss sein, Sicherheit vor allem für Radfahrer und Fußgänger zu erreichen, eine verstärkte Förderung dieser Fortbewegungsarten zu erzielen. Regelmäßiges Radfahren und Zufußgehen wird immer wichtiger dazu, sich das notwendige Maß an täglicher moderater körperlicher Betätigung zu verschaffen, und kann nebenbei zu einer drastischen Reduzierung der Gesamtsterblichkeit führen.
Verkehrsunfälle treffen vor allem unsere jüngste und produktivste Generation. Dabei sind sie meist vermeidbar. Eine nachhaltige, integrierte und umweltorientierte Verkehrspolitik kann zur Entstehung einer gesünderen und wohlhabenderen Gesellschaft beitragen. Wir müssen verstärkt in Maßnahmen investieren, die Zufußgehen und Radfahren lustvoll und sicher machen und die Voraussetzungen für ein leistungsfähiges öffentliches Verkehrswesen schaffen.
Die meisten der von Verkehrsunfällen Betroffenen sind jung, und die Unzahl an nicht tödlichen Unfällen sind eine wesentliche Ursache für Behinderungen. Jahr für Jahr sind verkehrsbedingte Verletzungen für den Verlust von bis zu 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eines Landes durch erhöhte Gesundheitsausgaben, vorzeitigen Tod, Behinderung und Fehlzeiten am Arbeitsplatz verantwortlich. Dieser Verlust ist Teil der Kosten des Straßenverkehrs für die Gesellschaft. Zusammen mit den Folgen von Umweltbelastung (Feinstaubbelastung, Stickoxide), Wegfall körperlicher Aktivitäten, Staus, Landschaftszerstörung und Klimawandel belaufen sich diese Kosten nach Berechnungen der WHO auf mindestens 8% des BIP.
Gesundheitsverträgliche Verkehrskonzepte sind kein wirtschaftliches Problem sondern nachweislich auch und besonders mit einem erheblichen ökonomischen Nutzen verbunden. Sie führen zu einer Verringerung der Verkehrsunfälle, tragen dazu bei, dass Zufußgehen und Radfahren sicherer werden und das öffentliche Verkehrswesen verbessert, die Luftqualität durch weniger Schadstoffe beeinträchtigt und die körperliche Fitness der Menschen erhöht wird. Die Straßen der Stadt sind dann nicht nur Autoschneisen unter erzwungener Tolerierung der anderen Verkehrsteilnehmer, sondern Lebens- und Begegnungsräume.
Mittelfristig muss eine ehrliche, nachhaltig am Wohl der Menschen orientierte Verkehrspolitik in Aachen erreicht werden unter gleichberechtigter Beteiligung aller beteiligten Gruppen und Verbände. Die bisher nahezu ausschließlich das Auto favorisierende Strategie ist gescheitert.
Nötig sind jetzt Sofortmaßnahmen, die dem Ernst der Lage angemessen sind.
Eine drastische Entschleunigung der Verkehrsgeschwindigkeit im Stadtgebiet auf 30 km/h ohne Ausnahme ist eine mögliche Maßnahme, um rasch mehr Sicherheit und weniger Umweltbelastung zu erzielen, bis eine grundlegende Neudenkung des Verkehrs in Aachen greift.
Wir Aachener Ärzte fordern auf, Verkehrspolitik endlich als Chance zu begreifen, kreativ Aachen als Lebensraum neu zu denken, und nicht nur als Problem der möglichst schnellen und ungestörten Fortbewegung mit dem PKW.
Dr. med. Alexander Mauckner (ViSdP)
Hausarzt, Ökologischer Ärztebund, ISDE-International Society of Doctors for the Environment